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“Think different“ – zum Unternehmer-Klischee verkommen?

Apples „The Crazy Ones“ Kampagne aus dem Jahr 1997 war ein Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens. Der darin enthaltene Werbeslogan „Think different“ wurde nicht nur zum Herzstück des Steve Jobs-Phänomens – sondern auch zum Leitspruch für das moderne Unternehmertum im Allgemeinen. Seitdem wurde diese Wortkombination aber so gnadenlos missbraucht, dass sie fast schon sinnentleert ist. Schade, denn die Botschaft ist heute relevanter als je zuvor.

Ich war letzte Woche in Wien unterwegs als mir ein Poster aufgefallen ist. Unter Verwendung einer nur geringfügig bearbeiteten Abbildung des Apple-Logos, forderte es mich auf „anders zu denken“ („Think different“) und „Upcycling“ zu betreiben. Mir fielen auf der Stelle drei Gedanken ein (in exakt dieser Reihenfolge):

  1. Das muss doch eine Urheberrechtsverletzung sein! (Man kann ja die Juristerei verlassen; die Juristerei hingegen verlässt einen nie.)
  2. Was genau soll ich unter „Upcycling“ verstehen? (Ich kenne mich jetzt nach einer kurzen Wiki-Suche bestens aus.)
  3. Apple tut mir leid.

Nun, es ist nicht so oft, dass ich für einen Weltkonzern wie Apple sowas wie Mitleid entwickle. In diesem Moment war ich aber traurig. Schließlich stellte dieses kleine Poster in einer Nebenstraße Wiens einen Verlust dar: hier war der endgültige Beweis, dass der letzte Rest Originalität an diesem Spruch zu verpuffen droht.

Es war einmal eine Revolution

Seinerzeit war die „The Crazy Ones“ Kampagne eine richtige Revolution. Es zeigte demütig Menschen (Bob Dylan, Pablo Picasso, Alfred Hitchcock usw.), die Großartiges geleistet und unsere Welt mitgestaltet haben. Im Hintergrund wurde ein Text gelesen, der mittlerweile so berühmt ist, dass es hier keiner weiteren Beschreibung bedarf (falls Sie aber vergessen haben, geht’s hier zum Clip). Die Werbung zeigte aber gleichzeitig eine unfassbare Anmaßung seitens Apple: hier präsentierte sich das Unternehmen auf derselben Bühne wie die ganz Großen. Welche Frechheit!

Dass das Ganze nicht in Unglaubwürdigkeit gesunken ist, war der unumstößlichen Wahrheit zu verdanken, die der Werbung zugrunde lag. Nämlich, dass diejenigen die in der Lage sind, anders zu denken, diese Gedanken nach außen zu tragen und entsprechend zu handeln, die Welt ändern werden. Die Absicht war klar: Apple wollte das auch machen.

Der Rockstar unter den Unternehmern

Auch wenn die Kampagne das Resultat der kreativen Leistungen von vielen Menschen war, wurde der „Think different“ Spruch zum Teil der Legende von Steve Jobs. Er war jene faszinierende Figur, die der Apple-Geschichte so eine magische Anziehung verlieh. Er hatte tolle Ideen – eine Vision sogar – und setzte sie um. Er feierte Erfolg, hob ab, stürzte tief. Danach stand er wieder auf und wurde so erfolgreich wie nie zuvor. Tatsächlich hat er die Welt ein Stück weitergebracht bevor er sie 2011 nach langer Krankheit verließ.

Es ist die perfekte Geschichte – und umso bewegender, weil es wahr ist. Jobs war der Rockstar unter den Unternehmern! Er schuf das neue Sinnbild für Unternehmer im 21. Jahrhundert und setzte das Maßstab für alle Nachkömmlinge. Und somit auch für alle billige Nachahmer, die hoffen, durch Imitation ein bisschen in seinem Licht baden zu dürfen – ohne selbst nur einen Schimmer seiner Originalität entwickeln zu müssen. Jeder will jetzt „wie Steve Jobs“ sein.

Ein irres, aber funktionierendes Geschäft

Um diese Nachfrage zu stillen, wurde das Internet mit zigtausend Artikeln geflutet mit Titeln wie „Lernen Sie, anders zu denken“ oder „So können Sie wie Steve Jobs präsentieren“ oder „Erfolgreich sein wie Steve Jobs“. Millionen von Menschen kauften Walter Isaacsons Biografie, um dem Mann so näher zu kommen. Unternehmen, die in ganz anderen Bereichen tätig sind, reißen den „Think different“ Slogan an sich, um deren Kraft für sich anzuzapfen.

Betrachtet man diese Jobs-Mania mal kritisch, entdeckt man schnell den folgenden Widerspruch: wenn man jemanden braucht, einem zu sagen wie man anders denken kann, ist man selbst dazu wohl nicht in der Lage. Man kann zwar kreative Techniken lernen und Inspiration einholen, um die eigenen Ideen zu fördern und zu strukturieren – echte Originalität ist jedoch keine Sache, die man unterrichten kann. Daher ist jeder Artikel, der quasi „unternehmerischen-Erfolg-auf-Knopfdruck“ verspricht, eine Täuschung. Es nährt lediglich eine falsche Copycat-Kultur des Steve-Jobs-Sein-Wollens und hält die Illusion aufrecht, dass es für Originalität ein Patentrezept gibt, das sich jeder einkaufen kann.

Immerhin geht dieses irre Geschäft weiter, weil es eine perfekte Transaktion darstellt: jeder kriegt daraus, was er will. Der Autor bekommt die Leser und die Publizität nach der er sich sehnt; der Leser bekommt seinen Glauben bestätigt, dass er etwas Besonderes ist (oder sein kann). Das geht selbst bei der unfähigsten Geschäftsperson ganz einfach – man muss nur die Realität selektiv ausblenden und eine kritische Selbstbetrachtung unterlassen. Und so geht es weiter bis wir aufgefordert werden „anders zu denken“ und aus unseren Abfällen neue Kleider zu basteln.

Botschaft richtig verstehen und einsetzen

Dabei ist die Botschaft der „Crazy Ones“ Kampagne heutzutage relevanter denn je. Wir leben in Zeiten wo alte Strukturen – gesellschaftlich, wirtschaftlich, sozial – im Eiltempo auseinander bröckeln. Damit das Neue rechtzeitig geboren werden kann brauchen wir Innovation. Wir brauchen Menschen, die frische Ideen und Ansätze einbringen, um den Problemen und Herausforderungen eines rasch ändernden Umfeldes Herr zu werden. Und wer weiß, welche weltbewegenden Geistesblitze noch stillschweigend in welchen Köpfen herumschwimmen, und wegen Angst, Schüchternheit oder mangelndem Selbstvertrauen nicht raus können?

Hier ist der „Think different“-Sager genau richtig am Platz – um den noch unbekannten Erfindern, Innovatoren und Urhebern Mut zu machen. Ihnen die Kraft zu geben, die eigenen Ideen umzusetzen und für sie auch zu kämpfen – denn die Welt reagiert nicht immer freundlich auf Änderung. Es ist kein Aufruf, jemandem anderen nachzuäffen – es wird nur immer einen Steve Jobs oder Elon Musk oder Jeff Bezos geben.

Was Steve Jobs mit Bob Dylan, Maria Callas und den anderen Menschen in der „Crazy Ones“ letztendlich verbindet ist, dass sie alle ihren eigenen Weg gegangen sind und sich dabei treu geblieben sind. Mit anderen Wörtern: „Think different“ ist kein Aufruf zu folgen, sondern zu FÜHREN. Wir sollen das endlich verstehen und respektieren.

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Autor:

Katharine Eyre
Gründerin von RiskPlayWin | Inhaberin & Gründerin des juristischen Übersetzungsbüros Spezialis

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